OGH zur Zulässigkeit von Claims-Made Klauseln

Montag, Mai 27, 2019

 Der Oberste Gerichtshof („OGH“) hat sich unlängst im Verfahren zu GZ 7 Ob 182/17s erstmals mit der Zulässigkeit einer Claims-Made Klauseln ausführlich auseinandergesetzt. Die Kläger wandten im Prozess ein, dass die Klausel gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB wäre und gegen das Überraschungsverbot iSd § 864a ABGB verstieße. Wir haben die Entscheidung des OGH näher untersucht:


Was ist eine Claims-Made Klausel?

 

Claims-Made Klauseln kommen aus dem anglo-amerikanischen Recht, sind jedoch heutzutage auf dem österreichischen Versicherungsmarkt keine Seltenheit. Sie legen fest, dass ein Versicherungsfall nicht im Zeitpunkt des Verstoßes gegen eine Pflicht, sondern erst mit der Geltendmachung eines Anspruchs durch den geschädigten Dritten, dem der versicherte Verstoß zugrunde liegt, eintritt (sogenanntes „Anspruchserhebungsprinzip“).

Die Klausel ist aus Sicht eines Versicherungsnehmers nicht unproblematisch. Kündigt der Versicherungsnehmer nach einem Verst0ß den Versicherungsvertrag noch bevor er vom geschädigten Dritten in Anspruch genommen wird, kann er ohne Versicherungsschutz bleiben, auch wenn der Verstoß während des aufrechten Versicherungsvertrages begangen wurde.

 

Aus den Entscheidungsgründen:

 

Der OGH kam unter Berücksichtigung der vom Erstgericht festgestellten Tatsachen zum Ergebnis, dass die streitgegenständliche Claims-Made Klausel weder gröblich benachteiligend sei noch gegen das Überraschungsverbot verstoße.

Laut Tatsachenfeststellungen seien Claims-Made Klauseln zum Zeitpunkt des Abschlusses des strittigen Versicherungsvertrages in Österreich in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen („AVB“) bereits verwendet worden. Darüber hinaus habe sich die Claims-Made Klausel in den AVB des beklagten Versicherers im Abschnitt „Versicherungsfall“ befunden. Für einen Verstoß gegen das Überraschungsverbot iSd § 864a ABGB habe es daher am Überrumpelungseffekt gefehlt.

Zur Frage der gröblichen Benachteiligung iSd § 879 Abs 3 ABGB führte der OGH zusammengefasst aus, dass – laut festgestelltem Sachverhalt – andere Versicherer aufgrund der Risikolage des Versicherungsnehmers zum Anbot eines Versicherungsschutzes überhaupt nicht bereit gewesen seien. Darüber hinaus haben die vom Versicherer geleisteten Entschädigungen mehr als die Summe der einbezahlten Prämien betragen. Der Versicherungsvertrag habe zwar keine Nachhaftungsperiode vorgesehen, jedoch sei damals eine dispositive gesetzliche Regelung, die den üblichen Umfang der zu erbringenden Versicherungsleistungen umschreibe, nicht vorgelegen. Eine Nachhaftungsperiode sei erst mehrere Jahre später für die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung infolge einer Richtlinienumsetzung vorzusehen gewesen. Eine unsachlich gerechtfertigte Abweichung vom dispositiven Recht, die für die gröbliche Benachteiligung kennzeichnend ist, lag somit nicht vor. Außerdem habe der Versicherer im Versicherungsvertrag dem geschädigten Dritten ein direktes Klagerecht zuerkannt. Bei Gesamtbewertung all dieser Umstände erachtete der OGH die streitgegenständliche Claims-Made Klausel auch nicht als gröblich benachteiligend.

 

Kommentar:

 

Die Entscheidung ist aus der Sicht der Versicherer zwar zu begrüßen, jedoch wird bei eingehender Analyse der Ausführungen des OGH evident, dass daraus keine Schlüsse auf eine generelle Zulässigkeit von Claims-Made Klauseln gezogen werden können. Dies geht bereits aus dem Umstand hervor, dass die Frage der gröblichen Benachteiligung stets aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen ist.

Darüber hinaus liegt der Entscheidung ein Sachverhalt zugrunde, der nach alter Rechtslage zu beurteilen war. Es ist davon auszugehen, dass nach heutiger Rechtslage eine Claims-Made Versicherungspolizze ohne jegliche Nachhaftungsperiode wohl als gröblich benachteiligend anzusehen wäre. In diesem Zusammenhang erhebt sich auch die Frage, ob eine begrenzte Nachhaftung zulässig ist.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit hat zwar anlässlich der Umsetzung der Richtlinie 2002/92/EG mit Erlass vom 17.01.2005 festgehalten, dass dem Verlangen der Umsetzungsbestimmungen nach unbeschränkter Nachhaftung durch eine mindestens fünfjährige Nachhaftung entsprochen werden könne. Gestützt darauf sehen die AVB einiger Versicherer eine fünfjährige Nachhaftung vor.

Den Erläuterungen zum § 137c Abs 1 GewO, der anlässlich der Umsetzung der Richtlinie 2002/92/EG eingeführt wurde, ist jedoch zu entnehmen, dass ein Ausschluss oder eine zeitliche Begrenzung der Nachhaftung des Versicherers nicht vorgesehen und daher unzulässig seien, da die zivilrechtliche Verjährung die Nachhaftung im Regelfall ohnehin sehr deutlich begrenze. Es liegt unseres Erachtens eine Diskrepanz zwischen den beiden Aussagen vor, die – soweit ersichtlich – bis heute weder durch den Gesetzgeber noch in der Rechtsprechung abschließend geklärt wurde.

Auch diese Entscheidung liefert leider keine Antwort zur Frage der Zulässigkeit zeitlichen Begrenzung der Nachhaftung bei Claims-Made Versicherungspolizzen. Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber diesen Regelungsbedarf wahrnehmen und für entsprechende Klarstellung sorgen wird.

 

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